Gemäß § 5 Arbeitsschutzgesetz hat jeder Unternehmer die Gefährdungen für die Alleinarbeiter:innen durch eine Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln und die Arbeitsbedingungen zu beurteilen.
Anhand der Beurteilung werden geeignete Maßnahmen festgelegt und entsprechend §6 des Arbeitsschutzgesetztes dokumentiert.
Die Gefährdungsbeurteilung für Alleinarbeit setzt sich aus der Gefährdungsermittlung und der Risikobeurteilung zusammen. Letztere wird für jeden festgestellten Gefährdungsfaktor separat durchgeführt.
Das Wichtigste in Kürze
✓ Der Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung für Alleinarbeiter
durchzuführen. Dies umfasst die Ermittlung der Gefährdungen am Arbeitsplatz, sowie die Beurteilung der Arbeitsbedingungen.
✓ Die Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz erfordert die Zusammenarbeit verschiedener Akteure, wie der Fachkraft für Arbeitssicherheit und dem Betriebsarzt.
✓ Die Risikobeurteilung erfolgt nach der Gefährdungsermittlung und berücksichtigt die Gefährdungsstufe (GZ), die Wahrscheinlichkeit eines Notfalls (NW) sowie die Zeit bis zum Beginn von Hilfsmaßnahmen (EV).
Grundlagen der Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz
Grundlage für die Gefährdungsbeurteilung ist eine vorangegangene Betriebsbegehung, bei der alle Betriebsbereiche und die darin enthaltenen Einzelarbeitsplätze berücksichtigt werden. Neben der Fachkraft für Arbeitssicherheit sind in der Regel der Betriebsarzt bzw. die Betriebsärztin, Vertreter:innen des Betriebsrates und Sicherheitsbeauftragte in diesen Prozess involviert. Je nach individuellem Ermessen können aber auch Inhaber:innen, Geschäftsführer:innen, Vorgesetzte sowie ausgewählte Mitarbeiter:innen an der Begehung teilnehmen.
Gefährdungen können insbesondere entstehen durch...
- die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes
- physikalische, chemische und biologische Einwirkungen, beispielsweise bei der Arbeit im Labor
- die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, Maschinen, Geräten und Anlagen, beispielsweise in der Baubranche
- die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeiten
- unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten
Nach der Gefährdungsermittlung erfolgt die Risikobeurteilung. Diese wird anhand der Gefährdungsstufe (GZ), der Notfallwahrscheinlichkeit (NW) und der Zeit bis zum Beginn von Hilfsmaßnahmen (EV) bestimmt. Dabei zu beachten ist, dass diese Art der Risikobeurteilung sich insbesondere auf Einzelarbeitsplätze bzw. Alleinarbeit fokussiert. Für die allgemeine Gefährdungsbeurteilung eignen sich andere Methoden wie beispielsweise die Risikomatrix nach Nohl.
Gefährdungsstufe (GZ)
Die Gefährdungsstufe (GZ) wird anhand der Gefährdungsfaktoren bestimmt.
Notfallwahrscheinlichkeit (NW)
Die Kennziffer (NW) wird anhand der Wahrscheinlichkeit eines Notfalls bestimmt. Sie berücksichtigt verschiedene Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit eines potenziellen Notfalls am Arbeitsplatz beeinflussen könnten.
Dazu gehören Aspekte wie die Art der Tätigkeiten, die durchgeführt werden, die Umgebung, in der gearbeitet wird, und die vorhandenen Sicherheitsmaßnahmen.
Die NW beurteilt die Möglichkeit, dass ein Notfall während der Arbeitsausübung auftreten könnte, sei es ein medizinischer Notfall, ein Unfall oder eine andere plötzliche und unerwartete Situation, die eine sofortige Reaktion erfordert.
Anhand dieser Wahrscheinlichkeit wird dann die Kennziffer für die Notfallwahrscheinlichkeit ermittelt, um die Risikobeurteilung im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu vervollständigen und angemessene Schutzmaßnahmen zu treffen.
Erstversorgung (EV)
Die Kennziffer (EV) wird anhand der Zeit zwischen dem Auslösen des Alarms und dem Beginn der Hilfsmaßnahmen vor Ort bestimmt. Diese Zeitspanne wird berücksichtigt, um festzustellen, wie schnell Ersthelfer:innen oder Rettungskräfte den Ort des Geschehens erreichen können, um Erste-Hilfe-Maßnahmen oder andere unterstützende Aktionen zu beginnen.
Sie spielt eine entscheidende Rolle bei der Einschätzung der Effizienz und Schnelligkeit, mit der Hilfe vor Ort eintrifft, um bei einem Notfall oder einer unvorhergesehenen Situation zu unterstützen.
Beträgt die Zeit bis zum Beginn von Hilfsmaßnahmen mehr als 15 Minuten, ist die Effektivität der Rettungskette nicht gewährleistet. In solchen Fällen darf keine Alleinarbeit stattfinden.
Eine längere Zeitspanne könnte bedeuten, dass die Hilfsmaßnahmen nicht effizient genug sind, um schnell genug vor Ort zu sein und entsprechende Unterstützung zu leisten. In solchen Fällen, in denen die Zeitspanne für die Erstversorgung zu lang ist, wird die Durchführung von Alleinarbeit als nicht sicher angesehen, und es müssen alternative Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, um die Sicherheit der Arbeitnehmer:innen zu gewährleisten.
Risikobeurteilung für den Arbeitsplatz
Bereits durch die Einteilung in die Gefährdungsstufen (GZ) ergeben sich folgende Maßnahmen für den Alleinarbeitsplatz.
Zur abschließenden Beurteilung des Risikos wird folgende Rechnung durchgeführt:
Wenn R kleiner als 30 ist, dann handelt es sich um ein akzeptables Risiko und es müssen keine weiteren Maßnahmen getroffen werden.
Ist R größer als 30, dann wird von einem Gefahrenfall gesprochen.
Das bedeutet, dass technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen zur Risikominimierung zur Verfügung gestellt werden müssen, sodass der Faktor GZ oder NW zuverlässig sinkt.
Als sinnvolle technische Maßnahmen zählt insbesondere der Einsatz von Notruf- bzw. Überwachungsmöglichkeiten für allein arbeitende Personen, beispielsweise durch ein digitales Notfallsystem wie CALIMA.
7 Handlungsschritte zur Gefährdungsbeurteilung
Die Schritte zur Gefährdungsbeurteilung sind essenziell, um ein sicheres Arbeitsumfeld zu gewährleisten:
1. Erfassen der Betriebsorganisation und Tätigkeiten
Dieser erste Schritt beinhaltet die eingehende Analyse betrieblicher Strukturen, einschließlich Arbeitsabläufe, Hierarchien und Verantwortlichkeiten. Die Zielsetzung besteht darin, die interne Organisation zu verstehen und potenzielle Gefahrenpunkte zu identifizieren, die sich aus der Betriebsstruktur ergeben können. Zudem werden die verschiedenen Tätigkeiten und Arbeitsprozesse im Unternehmen erfasst und detailliert beschrieben. Dies ermöglicht eine präzise Identifizierung potenzieller Gefahren, die mit spezifischen Arbeitsaufgaben verbunden sein können.
2. Ermitteln der möglichen Gefährdungen und Belastungen
In diesem Schritt erfolgt eine systematische Identifizierung aller potenziellen Gefahrenquellen und Belastungen am Arbeitsplatz. Dies schließt mögliche Risiken durch Maschinen, Materialien, Arbeitsumgebung oder andere Faktoren ein.
3. Beurteilen des Risikos
Die ermittelten Gefährdungen werden hinsichtlich ihrer Schwere und Wahrscheinlichkeit bewertet, um das Risiko für die Mitarbeiter:innen zu bestimmen. Dies hilft, die Priorität der Risiken zu bestimmen und die Dringlichkeit von Schutzmaßnahmen festzulegen.
4. Festlegen von Schutzzielen und Maßnahmen
Basierend auf der Risikobewertung werden konkrete Schutzziele definiert. Es werden Maßnahmen zur Risikominderung oder -eliminierung festgelegt, um die Gefahren zu minimieren und ein sicheres Arbeitsumfeld zu schaffen.
5. Realisieren der Maßnahmen
Die geplanten Schutzmaßnahmen werden umgesetzt. Dies beinhaltet möglicherweise entsprechende Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen, Schulungen der Mitarbeiter:innen anzubieten oder Anpassungen der Arbeitsabläufe gemäß den festgelegten Schutzzielen vorzunehmen.
6. Kontrolle der Wirksamkeit
Es erfolgt eine regelmäßige Überprüfung, ob die eingeführten Maßnahmen die gewünschte Wirkung erzielen. Bei Bedarf werden Anpassungen vorgenommen, um sicherzustellen, dass die Sicherheitsvorkehrungen effektiv sind und ein sicheres Arbeitsumfeld gewährleisten. Diese Kontrolle und Anpassung sind entscheidend, um kontinuierlich den Arbeitsschutz zu verbessern und aktuell zu halten.
7. Fortschreiben der Gefährdungsbeurteilung
Der Unternehmer bzw. die Unternehmerin ist verpflichtet, die Gefährdungsbeurteilung regelmäßig alle zwei bis drei Jahre oder aus gegebenem Anlass, z. B. Einführung neuer Maschinen, Arbeitsverfahren oder Tätigkeiten, zu überprüfen und zu aktualisieren.
Ist die Gefährdungsbeurteilung gesetzlich verpflichtend?
Ja, die Gefährdungsbeurteilung ist gesetzlich verpflichtend. Gemäß dem Arbeitsschutzgesetz sowie der Berufsgenossenschaftlichen DGUV-Vorschrift 1 hat der Arbeitgeber die Verantwortung für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten am Arbeitsplatz.
Es ist die Pflicht des Arbeitgebers, für einen sicheren Arbeitsplatz zu sorgen. Die Gefährdungsbeurteilung ist das zentrale Instrument zur Umsetzung dieser Verpflichtung. Sie kann entweder direkt vom Arbeitgeber selbst oder von fachkundigen Personen durchgeführt werden, die dazu beauftragt werden.
Allerdings liegt die rechtliche Verantwortung für die Durchführung und Überwachung der Gefährdungsbeurteilung immer beim Arbeitgeber, selbst wenn er die Aufgabe delegiert. Es ist wichtig, dass der Arbeitgeber sicherstellt, dass die Beurteilung ordnungsgemäß durchgeführt und kontrolliert wird, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden.
Mehr dazu finden Sie hier.
Gefährdungsbeurteilung - Vorlage
Zur Unterstützung bei der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen gemäß dem Arbeitsschutzgesetz (§§ 5 und 6) stellt die Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) Vorlagen für Gefährdungsbeurteilungen im Word- und PDF-Format zum Download, sowie die Möglichkeit einer Online-Gefährdungsbeurteilung zur Verfügung.
Diese ist für verschiedene Gewerbezweige verfügbar, darunter:
- Baustellen / Montage
- Holz / Kunststoff / Modellbau
- Kfz-Instandhaltung
- Maschinenbau
- Sanitär / Heizung / Klima
- Metall
- Oberflächenbehandlung
Ebenso können Sie sich an unserer Muster-Anleitung zur Gefährdungsbeurteilung orientieren.
Welche Rolle spielt das TOP-Prinzip bei der Gefährdungsbeurteilung?
Das TOP-Prinzip ist eine Hierarchie für die Sicherheitsmaßnahmen, die technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen gemäß ihrer Priorität gliedert.
Im Ablauf der Gefährdungsbeurteilung ist das TOP-Prinzip von entscheidender Bedeutung, um die Sicherheit am Arbeitsplatz zu gewährleisten. Dieser Prozess gliedert sich in mehrere Phasen:
Zu Beginn werden bei der Gefährdungsbeurteilung alle möglichen Gefahrenquellen und Risiken am Arbeitsplatz ermittelt. Dies geschieht durch Beobachtungen, die Analyse von Arbeitsabläufen sowie Gespräche mit den Mitarbeiter:innen.
Im nächsten Schritt werden die identifizierten Gefährdungen bewertet, um ihre Schwere und Wahrscheinlichkeit einzuschätzen. Dabei wird unterschieden, ob sie durch technische, organisatorische oder persönliche Maßnahmen beseitigt oder reduziert werden können.
Anschließend erfolgt die Anwendung des TOP-Prinzips:
1. Technische Maßnahmen (T):
Zuerst werden technische Lösungen betrachtet, um die Gefährdungen an ihrer Quelle zu eliminieren oder zu verringern.
Technische Schutzmaßnahmen beziehen sich auf Veränderungen an Arbeitsgeräten, Maschinen, Arbeitsprozessen oder der Arbeitsumgebung, um Gefahren zu reduzieren oder zu beseitigen. Sie zielen darauf ab, die Gefährdungen direkt an ihrer Quelle zu eliminieren.
Diese Maßnahmen könnten Schutzvorrichtungen an Maschinen, die Anpassung von Arbeitsgeräten oder die Gestaltung des Arbeitsplatzes umfassen.
2. Organisatorische Maßnahmen (O):
Wenn technische Lösungen nicht ausreichend oder nicht möglich sind, werden organisatorische Schutzmaßnahmen eingeführt.
Organisatorische Schutzmaßnahmen beziehen sich auf Änderungen in der Arbeitsorganisation oder den Abläufen, um Gefahren für die Beschäftigten zu mindern. Sie beinhalten betriebsinterne Vorschriften wie Betriebsanweisungen, Schulungen, Arbeitsplatzrotationen und die Implementierung klarer Arbeitsanweisungen.
Ihr Ziel ist es, die Arbeitsbedingungen und -praktiken so zu gestalten, dass sie sicherer sind und die Mitarbeiter:innen in die Lage versetzen, Risiken zu erkennen und zu minimieren.
3. Persönliche Maßnahmen (P):
Als letztes Mittel werden personenbezogene Maßnahmen in Betracht gezogen.
Persönliche Schutzmaßnahmen sind spezielle Ausrüstungen oder Vorkehrungen, die den Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt werden, um sich vor Gefahren zu schützen.
Diese könnten Schutzhelme, Schutzbrillen, Sicherheitsschuhe oder Gehörschutz umfassen. Sie sind die letzte Verteidigungslinie, wenn technische und organisatorische Maßnahmen nicht ausreichend sind oder nicht umgesetzt werden können.
Trotz ihrer Bedeutung sollten persönliche Maßnahmen nicht als Hauptlösung betrachtet werden, sondern als zusätzlicher Schutz, der in Verbindung mit anderen Schutzmaßnahmen angewendet wird.
Die ausgewählten Schutzmaßnahmen werden dann umgesetzt – sie können Maßnahmen wie die Bereitstellung spezieller Ausrüstung, die Schulung der Mitarbeiter:innen oder den Einsatz einer Personen-Notsignalanlage umfassen.
Fazit: Die Gefährdungsbeurteilung als Eckpfeiler im Arbeitsschutz
Die Gefährdungsbeurteilung ist von grundlegender Bedeutung im Arbeitsumfeld, da sie als effektives Werkzeug bei der Erkennung, Bewertung und Eindämmung potenzieller Gefahren und Risiken am Arbeitsplatz dient.
Ihr Stellenwert ist nicht nur auf ihre Funktion als zentrales Element der gesetzlichen Anforderungen gemäß dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) zurückzuführen, sondern basiert vor allem auf ihrem fundamentalen Beitrag zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten.
Die systematische Analyse und Bewertung von Gefährdungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ermöglicht es, Unfälle, Verletzungen und gesundheitliche Risiken am Arbeitsplatz zu identifizieren und entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Dadurch werden präventive Maßnahmen entwickelt und implementiert, um potenzielle Gefahren zu minimieren oder zu eliminieren.
Das zielgerichtete Vorgehen bei der Gefährdungsbeurteilung trägt dazu bei, dass Arbeitsplätze sicherer gestaltet und die Gesundheit der Arbeitnehmer:innen geschützt wird.
Somit fungiert die Gefährdungsbeurteilung als Eckpfeiler für die Schaffung einer sicheren Arbeitsumgebung, die nicht nur gesetzlichen Vorschriften entspricht, sondern auch das Wohlbefinden und die Sicherheit der Arbeitskräfte gewährleistet.
Ihre fortlaufende Anwendung und regelmäßige Aktualisierung sind entscheidend, um sich verändernden Arbeitsbedingungen und neuen Risiken angemessen zu begegnen und somit eine nachhaltige Sicherheitskultur am Arbeitsplatz zu etablieren.