In vielen Arbeitsbereichen treten spezifische Gefährdungen auf. Diese müssen zunächst im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung bewertet werden und gemäß dem Arbeitsschutzgesetz an ihrer Quelle beseitigt werden.
In der Praxis ist dies jedoch oft unmöglich, denn Gefährdungen im Arbeitsalltag lassen sich nie zu hundert Prozent eliminieren. Aus diesem Grund sieht die Betriebssicherheitsverordnung vor, Arbeitsschutzmaßnahmen nach dem TOP-Prinzip zu priorisieren (§ 4 Abs. 2 BetrSichV).
Das TOP-Prinzip bezeichnet eine Maßnahmenhierarchie im Arbeitsschutz und legt dabei eine bestimmte Reihenfolge von Maßnahmen fest: Demnach werden technische Schutzmaßnahmen priorisiert, gefolgt von organisatorischen Maßnahmen und zuletzt persönlichen Schutzmaßnahmen. Es handelt sich um ein Prinzip, das dabei helfen soll, Unfällen und Gesundheitsgefahren systematisch und wirksam zu begegnen.
Das Wichtigste in Kürze
✓ Das TOP-Prinzip im Arbeitsschutz priorisiert Maßnahmen zur Gefahrenminimierung: zuerst technische, dann organisatorische, zuletzt persönliche Schutzmaßnahmen.
✓ Technische Maßnahmen sind am effektivsten, da sie Gefahren an der Quelle bekämpfen, gefolgt von organisatorischen Maßnahmen und PSA als letzte Schutzbarriere.
✓ Die Anwendung des TOP-Prinzips in der Gefährdungsbeurteilung gewährleistet die systematische Identifikation und Umsetzung geeigneter Schutzmaßnahmen.
Grundlagen des TOP-Prinzips
TOP ist eine Abkürzung und steht für technische, organisatorische und persönliche Maßnahmen im Arbeitsschutz. Technische Maßnahmen haben in der Rangfolge immer Priorität, danach folgen organisatorische und danach persönliche Schutzmaßnahmen.
Technische Maßnahmen: Diese umfassen die Anwendung von technischen Hilfsmitteln oder Änderungen an einem Arbeitsgerät , einer Maschine oder einem Prozess, um Gefahren zu reduzieren. Technische Schutzmaßnahmen wirken autonom, also ohne das weitere Zutun von Personen. Ziel ist es nicht die Gefahren „nur“ zu reduzieren, sondern zu verhindern, dass diese überhaupt wirksam werden können z.B. durch die räumliche Trennung von Gefahrenquelle und Mensch.
Organisatorische Maßnahmen: Hierbei handelt es sich um Veränderungen in der Arbeitsorganisation oder den Abläufen zum Schutz der Beschäftigten.
Persönliche Maßnahmen: Falls Gefahren nicht durch technische oder organisatorische Maßnahmen ausreichend minimiert werden können, sollten persönliche Schutzausrüstungen bereitgestellt und von den Mitarbeitenden getragen werden.
Besondere Regelung: Beim Umgang mit Gefahrenstoffen gilt das sogenannte STOP-Prinzip. Das „S“ steht dabei für Substitution und kommt in der Hierarchie zuerst. Das bedeutet, dass überprüft werden muss, ob gefährliche Stoffe durch weniger kritische Stoffe ersetzt werden können. Das Stop-Prinzip ist somit eine Erweiterung.
Maßnahmenhierarchie im TOP-Prinzip: Warum sind technische Maßnahmen besser als organisatorische?
Technische Maßnahmen sind oft wirksamer, da sie Gefahren direkt an der Quelle bekämpfen können. Zum Beispiel können Schutzvorrichtungen an Maschinen oder die Verwendung sicherer Materialien die Gefahr von Verletzungen oder Unfällen erheblich reduzieren.
Sie gelten auch als zuverlässiger und weniger anfällig für menschliche Fehler oder Nachlässigkeit, da sie bereits in die Ausrüstung oder die Arbeitsumgebung integriert sind.
In der Praxis kommt es häufig vor, dass eine Kombination von technischen, organisatorischen und persönlichen Maßnahmen zum Einsatz kommt. Dies ist sinnvoll und hilft dabei, ein umfassendes Arbeitsschutzprogramm zu entwickeln. Die Wahl der Maßnahmen hängt jedoch immer von der Risikobewertung und den spezifischen Anforderungen des Arbeitsplatzes ab.
Einbindung des TOP-Prinzips in den Prozess der Gefährdungsbeurteilung
Die Integration des TOP-Prinzips in den Prozess der Gefährdungsbeurteilung ist ein wesentlicher Schritt, um die Sicherheit am Arbeitsplatz zu gewährleisten. Dieser Prozess erfolgt immer in den folgenden 7. Schritten:
1. Definition der Arbeitsbereiche und Tätigkeiten: Im ersten Schritt müssen die Arbeitsbereiche und Tätigkeiten im Unternehmen definiert werden.
2. Ermittlung der Gefährdungen: Zu Beginn der Gefährdungsbeurteilung werden alle potenziellen Gefahrenquellen und Risiken am Arbeitsplatz durch Beobachtung, Analyse von Arbeitsabläufen und Gesprächen mit Mitarbeitern ermittelt.
3. Beurteilung der Gefährdungen: Um die mögliche Schadensschwere und die Eintrittswahrscheinlichkeit (z.B. durch die Risikomatrix nach Nohl) zu ermitteln, erfolgt eine Unterteilung der Gefährdungsfaktoren in z.B. mechanische oder elektrische Gefährdungen.
4. Definition der Schutzmaßnahmen: Gemäß dem TOP-Prinzip wird nun die Hierarchie der Schutzmaßnahmen angewendet:
Technische Maßnahmen (T): Zunächst werden technische Lösungen in Betracht gezogen, um Gefährdungen an ihrer Quelle zu beseitigen oder zu reduzieren.
Organisatorische Maßnahmen (O): Wenn technische Maßnahmen nicht ausreichen oder nicht möglich sind, werden organisatorische Schutzmaßnahmen ergriffen.
Persönliche Maßnahmen (P): Als letztes Mittel wird der Einsatz von personenbezogenen Maßnahmen in Betracht gezogen.
5. Umsetzung der Schutzmaßnahmen: Die ausgewählten Schutzmaßnahmen werden in die Praxis umgesetzt. Dies kann die Beschaffung von Ausrüstung, die Schulung der Mitarbeiter:innen und die Überwachung der Einhaltung der Sicherheitsvorschriften umfassen.
6. Überprüfung der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen: Die Wirksamkeit der implementierten Arbeitsschutzmaßnahmen müssen überprüft und wenn notwendig aktualisiert werden.
7. Fortschreiben der Gefährdungsbeurteilung: Die Gefährdungsbeurteilung wird kontinuierlich aktualisiert und an die aktuellen Gegebenheiten angepasst.
Eine Muster-Anleitung zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung finden Sie in diesem Artikel.
Personenschutzausrüstung (PSA): Rolle im TOP-Prinzip
Personenbezogene Maßnahmen, einschließlich persönlicher Schutzausrüstung (PSA) wie Sicherheitsschuhe oder -helme, werden im Arbeitsschutz als letzter Schritt in Betracht gezogen, wenn technische oder organisatorische Maßnahmen nicht realisierbar sind oder trotz ihrer Umsetzung noch immer ein Risiko besteht.
Schutzkleidung gilt als persönliche Schutzmaßnahme und dient dazu, den Rumpf, die Arme und die Beine vor Gefahren bei der Arbeit zu schützen. Es gibt verschiedene Arten von Schutzkleidung, die speziell auf unterschiedliche Gefährdungen abgestimmt sind.
Die Auswahl der geeigneten Schutzkleidung erfolgt im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung, wobei ermittelt wird, vor welchen Risiken sie schützen soll.
Beachtet werden sollte, dass Schutzkleidung gemäß des TOP-Prinzips erst nach der Prüfung von technischen und organisatorischen Maßnahmen in Betracht gezogen wird.
Beispiele von Schutzmaßnahmen nach dem TOP-Prinzip
Beispiele für technische Maßnahmen: Installation von Geländern und Absturzsicherungen auf Baustellen, Nutzung einer Totmannschaltung oder einer Personen-Notsignal-Anlage.
Beispiele für organisatorische Maßnahmen: Ausbildung betrieblicher Ersthelfer:innen, Betriebsanweisungen, Überwachung der Einhaltung von Sicherheitsrichtlinien durch das Unternehmen oder die Vermeidung von Alleinarbeit durch eine festgelegte Mindestanzahl an Beschäftigten bei bestimmten Tätigkeiten.
Beispiele für persönliche Maßnahmen: Bereitstellung von Sicherheitsgurten, Sicherheitsschuhen, Helmen, Schutzbrillen oder weiterer Schutzausrüstung, die dazu dient, den Rumpf, die Arme und die Beine vor Gefahren bei der Arbeit zu schützen. Auch ein geeigneter Gehörschutz bei Arbeiten unter Lärmbelastung gilt als persönliche Schutzmaßnahme im Arbeitsschutz.