Welche Gefährdungsstufen gibt es bei Alleinarbeit?

Welche Gefährdungsstufen gibt es bei Alleinarbeit?

Bei Alleinarbeit arbeiten die Mitarbeiter:innen außerhalb von Ruf- und Sichtweite zu anderen Personen und sind dadurch in Notsituationen auf sich alleine gestellt. Alleinarbeit gehört in vielen Berufen zum Alltag und stellt besondere Herausforderungen an den Arbeitsschutz.

Um die Gefährdungen für Alleinarbeiter:innen zu reduzieren, müssen diese zunächst analysiert und bewertet werden. Dazu wird im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung für die ausgeübte Tätigkeit eine Gefährdungsziffer ermittelt und die Arbeit einer Gefährdungsstufe zugeordnet. 

Die Einteilung in Gefährdungsstufen hilft dabei, potenzielle Risiken und Sicherheitsmaßnahmen zu klassifizieren. Sie dient als Grundlage für die Ermittlung und Umsetzung geeigneter Arbeitsschutzmaßnahmen im Betrieb.

Das Wichtigste in Kürze

✓ Alleinarbeit erfordert besondere Maßnahmen, da Mitarbeitende ohne direkte Unterstützung arbeiten. Eine Gefährdungsbeurteilung identifiziert Risiken und passende Schutzmaßnahmen.

✓ Gefährdungsstufen klassifizieren Risiken in gering, erhöht und kritisch. Maßnahmen reichen von keiner bis ständiger Überwachung, abhängig von der Gefährdungsziffer (1 bis 10).

✓ Verantwortung und Schutz liegen beim Arbeitgeber, der Gefährdungen bewertet und Maßnahmen umsetzt. Bei erhöhter oder kritischer Gefährdung sind oft Personen-Notsignal-Anlagen (PNA) nötig.

Welche Gefährdungsstufen gibt es bei Alleinarbeit?  

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) veranschaulicht in einer Tabelle die drei Gefährdungsstufen. Dabei werden die Gefährdungsstufen bei Alleinarbeit in drei Kategorien eingeteilt: gering, erhöht und kritisch. 

Bei der Gefährdungsstufe “gering” wird davon ausgegangen, dass die vorliegenden Gefährdungsfaktoren (Tabelle 1) nur geringe Verletzungen bei der allein arbeitenden Person bewirken können.

Erhöht dagegen bedeutet, dass die vorliegenden Gefährdungsfaktoren erhebliche Verletzungen verursachen können, und der oder die Alleinarbeiter:in im Notfall nur noch eingeschränkt handlungsfähig ist.

Bei einer kritischen Gefährdung können schwere akute Beeinträchtigungen der Gesundheit die Folge sein. Die Person ist im Notfall nicht mehr handlungsfähig.

Tabelle Einteilung Gefährdungsstufen
Tabelle 1: Einteilung nach Gefährdungsstufen; Festlegung der Gefährdungsziffer. Quelle: DGUV Regel 112-139 Einsatz von Personen-Notsignal-Anlagen, S.16

Wichtig ist hierbei zu berücksichtigen, dass die drei Gefährdungsstufen lediglich als Orientierung dienen und für jede spezifische Arbeitssituation eine individuelle Risikobewertung erforderlich ist.

Arbeitgebende und Arbeitnehmer:innen sollten im Rahmen der Risikoanalyse eng zusammenarbeiten, um sämtliche potenzielle Gefahrenquellen zu erkennen und angemessene Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Nur so kann die Sicherheit der Mitarbeitenden gewährleistet werden.

Welche Gefährdungsfaktoren können auftreten?

Als Gefährdungsfaktoren bezeichnet man verschiedene Aspekte oder Bedingungen in der Arbeitsumgebung, die mögliche Risiken für die Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter:innen darstellen können. Gefährdungsfaktoren beziehen sich demnach auf die spezifischen Eigenschaften einer Gefahrenquelle.

Obwohl eine Gefahrenquelle nicht zwangsläufig zu einem Unfall führt, spielen diese Faktoren eine wichtige Rolle bei der Gefährdungsbeurteilung, da sie bei der Analyse möglicher Gefährdungen und der Festlegung präventiver Schutzmaßnahmen helfen.

Gefährdungsfaktoren sind grundsätzlich vorhersehbar und treten in der Regel nicht isoliert auf. Ob ein Gefährdungsfaktor einen Arbeitsunfall oder eine Erkrankung verursacht, hängt hierbei vom Umfang des Gefährdungsfaktors sowie dem räumlichen und zeitlichen Zusammentreffen mit den Mitarbeiter:innen ab.

Nach der DGUV Regel sind folgende Gefährdungsfaktoren bei der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen:

Tabelle Gefährdungsfaktoren
Tabelle 2: Liste der möglichen Gefährdungsfaktoren. Quelle: DGUV Regel 112-139 Regel: "Einsatz von Personen-Notsignal-Anlagen" (BGR/GUV-R 139) S.14

Wie wird die Gefährdungsziffer GZ ermittelt?

Die Gefährdungsziffer GZ ist die Kennziffer zur Beurteilung einer Gefährdung und hat einen Wert zwischen 1 und 10. Die Gefährdungsziffer GZ wird im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ermittelt und bewertet das Risiko für Arbeitsunfälle in einem Betrieb.

Die Ermittlung der Gefährdungsziffer GZ wird anhand der Gefährdungsfaktoren vorgenommen. Damit wird eine objektive Beurteilung der Gefährdungen ermöglicht, um geeignete Schutzmaßnahmen zur Risikominimierung einzuleiten.

Bei einer GZ von 1-3 ist eine Überwachung der einzelnen Arbeitsplätze nicht zwingend erforderlich. Nimmt die GZ Werte von 4-6 an, müssen die Einzelarbeitsplätze überwacht werden. Bei einer GZ von 7-10 ist eine ständige Überwachung des Einzelarbeitsplatzes erforderlich.

Wenn neben der kritischen Gefährdung ebenso eine hohe Notfallwahrscheinlichkeit vorliegt, ist Alleinarbeit nicht zulässig.

Die GZ verschiedener Arbeiten sollten miteinander verglichen werden, um zunächst Maßnahmen für die Gefährdungen mit der höchsten GZ zu ergreifen. Da die genaue Bestimmung der GZ je nach Unternehmen und Branche unterschiedlich ist, ist es wichtig, die unternehmensspezifischen Richtlinien und Verfahren zur Gefährdungsbeurteilung zu befolgen.

Wer ist für die Einstufung verantwortlich?

Gemäß §5 des Arbeitsschutzgesetzes ist der Arbeitgebende verpflichtet, im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung die Gefährdungen am Arbeitsplatz zu ermitteln, sowie die Arbeitsbedingungen zu beurteilen.

Auf der Grundlage dieser Beurteilung hat er oder sie über die allgemeinen Schutzmaßnahmen hinaus für geeignete technische oder organisatorische Personenschutzmaßnahmen zu sorgen und diese gemäß §6 des Arbeitsschutzgesetzes zu dokumentieren.

Mehr zu den Verantwortlichkeiten im Arbeitsschutz finden Sie in unserem Artikel “Wer trägt die Verantwortung für den Arbeitsschutz?”.

Nach §3 des Arbeitsschutzgesetzes ist der Arbeitgeber verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu treffen. Dabei sind insbesondere die Gefährdungsfaktoren zu berücksichtigen, die die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten beeinträchtigen können.

Die getroffenen Arbeitsschutzmaßnahmen sind regelmäßig auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen.

Bei der Gefährdungsbeurteilung sollten auch die Fachkraft für Arbeitssicherheit, die Betriebsärztin bzw. der Betriebsarzt, die Personalvertretung, die bzw. der Sicherheitsbeauftragte und die betroffenen Mitarbeiter:innen mit einbezogen werden. Die Beteiligung des zuständigen Unfallversicherungsträgers wird ebenfalls empfohlen.

Gefährdungsstufen bei Alleinarbeit: Fallbeispiele

Gering

Alleinarbeit im Home-Office: Im Home-Office wird typischerweise alleine gearbeitet. Es treten jedoch keine besonderen Gefährdungen auf, da keine schweren Maschinen oder gefährlichen Chemikalien am Arbeitsplatz vorhanden sind. Dennoch gibt es potenzielle Unfallgefahren wie das Stolpern über Kabel, Fallenlassen von Gegenständen oder Verletzungen durch unsachgemäßen Umgang mit Arbeitsmaterialien.

Alleinarbeit im Büro: Im Büro ist Alleinarbeit besonders in Unternehmen mit flexiblen Arbeitszeiten anzutreffen, da die Mitarbeiter:innen hier unterschiedliche Arbeitszeiten haben können. Besonders in den Abendstunden wird oft allein gearbeitet. Die Abwesenheit der Kollegen und Kolleginnen durch Urlaub, Krankheit oder Geschäftsreisen kann ebenso dazu führen, dass bestimmte Aufgaben im Büro vorübergehend von einer Person allein durchgeführt werden. Spezifische Gefährdungen liegen hier jedoch ähnlich wie im Home-Office nicht vor.

Erhöht

Instandhaltungsmitarbeiter:innen: Im Umgang mit Maschinen und Anlagen können mögliche Verletzungen durch scharfe Gegenstände oder elektrische Gefahren auftreten. Oft wird auch in engen Räumen wie z.B. Schächten gearbeitet, wo die Mitarbeiter:innen dem Risiko des Erstickens, Sauerstoffmangels oder gefährlichen Gasen ausgesetzt sind. Wenn im Notfall niemand zur Stelle ist, um Hilfe zu leisten oder den Rettungsdienst zu verständigen, können diese Unfälle schwerwiegende Folgen haben.

Mitarbeiter:innen in der Logistik: Bei vielen Tätigkeiten in der Logistik werden Flurförderzeuge wie Gabelstapler, Hubwagen, Förderbänder oder andere Geräte eingesetzt. Dabei sind die Mitarbeiter:innen potenziellen Gefahren wie Kollisionen, Stürzen und Quetschungen ausgesetzt. Insbesondere beim Be- und Entladen von Regalen, LKWs, Containern oder anderen Transportmitteln ist Vorsicht geboten. Unzureichende Sicherung kann dazu führen, dass Gegenstände herabfallen und Verletzungen verursachen. 

Pflegekräfte oder Mitarbeiter:innen in sozialen Einrichtungen: Für Mitarbeiter:innen im Sozialdienst, besonders im Pflegedienst, ist Alleinarbeit nichts Ungewöhnliches. Ebenso sind sie bei Ihrer Arbeit mit einer Vielzahl von Risiken konfrontiert. Auf der Pflegetour tragen Sie - besonders durch den häufig damit verbundenen Zeitdruck - das Risiko, zu stolpern oder zu stürzen. Darüber hinaus begegnen Pflegekräfte häufig auch Menschen, die aufgrund ihrer Krankheit unzurechnungsfähig und bedrohlich werden können.

Hausmeister:innen: Der Beruf des Hausmeisters erfordert häufig körperliche Arbeit, wie beispielsweise das Heben schwerer Gegenstände oder Klettern auf Leitern. Dadurch können Verletzungsgefahren auftreten. Außerdem können sie mit gefährlichen Substanzen wie Reinigungsmitteln, Chemikalien oder Asbest in älteren Gebäuden in Berührung kommen.

Lieferdienst: Als Fahrer:in kann es zu Verkehrsunfällen oder Konflikten mit anderen Personen kommen. Da oft außerhalb der Ruf- und Sichtweite anderer Personen gearbeitet wird, besteht das Risiko, dass ein Unfall eines Fahrers bzw. einer Fahrerin länger unbemerkt bleibt und diese:r nicht rechtzeitig Erste Hilfe bekommt. Ebenso kann es zu Auseinandersetzungen oder Konflikten mit Kund:innen kommen, denen der bzw. die Mitarbeiter:in allein ausgesetzt ist.

Kritisch

Bauarbeiter: Alleinarbeit auf Baustellen ist besonders risikoreich, da mit schweren Maschinen und gefährlichen Materialien und Substanzen gearbeitet wird. Außerdem besteht die Gefahr von herabfallenden Gegenständen, elektrischen Gefahren und Absturzgefahr, welche schwere akute Beeinträchtigungen der Gesundheit zur Folge haben können.

Abgelegene Kläranlagen: In Kläranlagen wird häufig mit gefährlichen Chemikalien und giftigen Gasen gearbeitet. Sind Mitarbeiter:innen einem Leck oder einer Freisetzung ausgesetzt, kann dies zu gesundheitlichen Notfällen führen.

Auch die Arbeit an verschiedenen Maschinen oder Wartungsarbeiten können ein Verletzungsrisiko darstellen. Im Falle eines Notfalls ist der oder die Mitarbeiter:in gegebenenfalls nicht mehr handlungsfähig.

Wach- und Sicherheitsdienste: Für Sicherheitsbeauftragte in risikoreichen Umgebungen wie Gefängnissen oder bei der Überwachung von Sicherheitssystemen kann es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und Unfällen kommen.

Meldeeinrichtungen für die unterschiedlichen Gefährdungsstufen

Je nach Gefährdungsgrad ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an die Überwachung der einzelnen Arbeitsplätze und an die Schutzmaßnahmen. Bei einer geringen Gefährdung ist die Überwachung des Einzelarbeitsplatzes grundsätzlich nicht nötig.

Die Nutzung einer Meldeeinrichtung, wie beispielsweise einem Festnetztelefon, reicht hier aus. Es wird davon ausgegangen, dass die Risiken auf einem akzeptablen Niveau liegen.

Handelt es sich um eine erhöhte Gefährdung, so ist eine Überwachung des Einzelarbeitsplatzes erforderlich. Ist die Wahrscheinlichkeit eines Notfalls bei erhöhter Gefährdung als gering einzustufen, kann die Überwachung durch Kontrollgänge, Kontrollanrufe oder auch durch den Einsatz einer Personen-Notsignal-Anlage (PNA-11) erfolgen. 

Wird die Wahrscheinlichkeit eines Notfalls als hoch eingeschätzt, ist bei erhöhter Gefährdung eine ständige Überwachung erforderlich, ähnlich wie bei kritischen Gefährdungen, bei denen besondere Schutzmaßnahmen vorgeschrieben sind.

In diesem Fall gilt für Alleinarbeit mit erhöhter Gefährdung der Einsatz einer PNA-11 nach DIN VDE V 0825-11 als erforderlich. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Artikel "Wann sollte bei Alleinarbeit eine Personen-Notsignal-Anlage eingesetzt werden?".

Bei kritischen Gefährdungen sind zusätzliche technische oder organisatorische Schutzmaßnahmen erforderlich. Es müssen geeignete Maßnahmen zur persönlichen Sicherheit getroffen werden, denn die Person ist im Notfall nicht mehr handlungsfähig.

Eine ständige Überwachung kann durch die Anwesenheit einer zweiten Person, Videoüberwachung im Dauerbetrieb oder eine Personen-Notsignal-Anlage (PNA) gewährleistet werden. Alleinarbeit ist nicht zulässig, wenn bei einer kritischen Gefährdung die Wahrscheinlichkeit eines Notfalls hoch ist.

CALIMA ist als App-basierte Personen-Notsignal-Anlage (PNA) für handelsübliche Smartphones besonders für Arbeiten an Einzelarbeitsplätzen mit geringer und erhöhter Gefährdung hilfreich. Die Alarmauslösung kann sowohl manuell als auch automatisch erfolgen. Alle relevanten Daten zu dem Vorfall werden dabei an die zuständige Leitstelle oder andere vordefinierte Notfallkontakte übermittelt. Mehr dazu finden Sie hier.

Kostenlose Beratung

Unsere Expert:innen beantworten gerne Ihre Fragen zur Alleinarbeit und zu unserem Notfallsystem.

Beratungstermin vereinbaren